Beratung und Service für das Handwerk

Durch die Brille des Handwerks

Den Ausruf „Herr, wirf Hirn vom Himmel!“ kennt man ja und hat ihn vielleicht auch schon mehrfach benutzt, meistens jedoch ohne erhört zu werden. Diesmal war es anders. Diesmal warf der Herr tatsächlich Hirn vom Himmel – und es landete in Karlsruhe. Dort urteilten unsere obersten Verfassungshüter, dass die Ampelmännchen in Berlin nicht weiter wie bei grüner Welle durch die Gesetzgebungsprozesse heizen (!) sollten, sondern lieber mal abbremsen und mit Schritttempo in eine „beruhigte Zone“ einbiegen mögen. Manche sprachen von „schallender Ohrfeige“ für die Regierenden. Unser Landeshandwerkspräsident nannte das Urteil einen „Klassenbucheintrag“ für Habeck und Co. Wie auch immer – das Bundesverfassungsgericht hat damit ein wichtiges Signal gesetzt, dass Regierungen eben nicht immer „durchregieren“ dürfen. Da mag der Klimanotstand noch so groß, die innere Überzeugung noch so fest, die Genervtheit über den politischen Gegner und die hinderlichen Interessenvertreter noch so quälend sein… Demokratie darf anstrengen, Meinungsbildung braucht Zeit. Und Respekt, lieber Kanzler, ist idealerweise eine Zweibahnstraße.

Auch unsere Landesregierung muss dringend mehr Ruhe und Verstand in demokratisch festgelegte Prozesse bringen. Denn nicht nur Oppositionsabgeordnete beklagen, dass sie Gesetzesentwürfe meist mit viel zu kurzen Fristen erhalten. Das geht uns Verbänden genauso. Und wenn man sich dann beklagt, das dies kein Umgang sei, flüstern einem Beamte auch noch zu: „Ärgern Sie sich nicht, kein Problem, wenn sie es übers Wochenende nicht schaffen. Wir sollen sowieso keine Änderungsvorschläge aufnehmen.“

Das ist unangemessen, eigentlich sogar unverschämt und lässt ein ernsthaftes Interesse von Politik und Verwaltung an der Expertise der Fachleute in betroffenen Wirtschaftsbereichen vermissen. Und wenn sich am Ende herausstellt, man hätte doch besser mal auf die Profis gehört, dann schreibt die Presse von „handwerklichen Fehlern“. Liebe Leserinnen und Leser, lassen Sie uns gemeinsam dafür werben, dass dieses üble Begriffspaar aus dem Wortschatz verschwindet. Wenn Politiker und Beamte etwas versaubeuteln, sind es politische Fehler, keine handwerklichen!

Angesichts der Lage (deutlich mehr Insolvenzen, sinkende Investitionen, steigende Arbeitslosigkeit, Baukonjunktur im freien Fall, Lösung des Fachkräftemangels nicht in Sicht) bräuchte es auch und gerade im Politikmanagement eine Zeitenwende. Mehr Einbindung von Kompetenz, erst denken, fragen, planen, dann entscheiden, einen Schritt nach dem anderen machen.

Handwerkerinnen und Handwerkern muss man das nicht sagen. Dort, wo die Vertreter unseres ehrbaren Wirtschaftszweigs Entscheidungen treffen, geht’s dank ordentlicher Ausbildung mit Sinn und Verstand zu – oder, mit Blick auf den Beginn dieser Kolumne: mit Herz und Hirn. Setzen wir also mal wieder auf die Qualitäten des Handwerks, wenn es darum geht, die Hoffnung nicht zu verlieren.

Hilfreich beim Hoffen und Durchatmen ist auch die Perspektive „Urlaubszeit“. Ich hoffe, auch Sie haben eine Erholungsphase eingeplant, können die Seele etwas baumeln lassen, ein paar Tage digital detoxen und sich einfach was Gutes tun. Und: Sie sollten alles daransetzen, zur Minderheit zu gehören – bezüglich einer kürzlich veröffentlichten Studie, nach der die Mehrheit der Berufstätigen im Sommerurlaub dienstlich erreichbar bleibt. Bei den Älteren sind es etwas mehr, bei den Jüngeren etwas weniger, aber im Schnitt wollen 65 % telefonisch, per Kurznachricht oder sogar für Videokonferenzen zur Verfügung stehen. Klingt heftig und unvernünftig. Aber ganz ehrlich, wie schaut’s bei Ihnen aus? Ich wünsche jedenfalls mindestens gute Vorsätze 🙂

Ich sage auf bald und grüße herzlich!

Ihr Peter Haas

Hauptgeschäftsführer HandwerkBW

Kontakt über haas(at)handwerk-bw.de

Quelle: www.handwerk-bw.de v.  Juli 2023