Arbeitgeber müssen gewisse Vorschriften bei der Entlohnung ihrer Arbeitnehmer beachten. Einige Betriebe sind zur tariflichen Mindestentlohnung verplichtet, andere müssen die Vorgaben des gesetzlichen Mindestlohngesetzes einhalten. Ein Überblick, welcher Betrieb wann und wie mindestens zu entlohnen hat.
Welcher Arbeitnehmer hat ein Anrecht auf den gesetzlichen Mindestlohn?
Die Regelungen zum Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) ergänzen die bereits seit längerem bestehenden tariflichen Mindestentgelte nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) beziehungsweise Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Das MiLoG betrifft grundsätzlich alle Arbeitnehmer. Von diesem Grundsatz gibt es nur wenige Ausnahmen (siehe weiter unten). Das Mindestentgelt in 2019 von 9,19 Euro brutto (ab dem 1. Januar 2020 dann 9,35 Euro brutto) je Zeitstunde gilt grundsätzlich unabhängig von der Qualifikation des Arbeitnehmers. Irgendwelche Absprachen, die darauf hinauslaufen, den Mindestlohn freiwillig zu unterschreiten, sind unwirksam: Der Arbeitnehmer kann nicht auf den Mindestlohn verzichten (§ 3 MiLoG).
Wer hat kein Anrecht auf den gesetzlichen Mindestlohn?
Langzeitarbeitslose, die in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden sollen, haben für die ersten sechs Monate ihrer Beschäftigung kein Anrecht auf den Mindestlohn. Ebenfalls keinen Anspruch auf den Mindestlohn erheben dürfen Auszubildende, Freiberufler, Heimarbeiter, Selbstständige, ehrenamtlich Tätige, Minderjährige ohne abgeschlossene Berufsausbildung und eine bestimmte Art von Praktikanten: So muss bei einem Pflichtpraktikum kein Mindestlohn gezahlt werden. Um ein solches Praktikum handelt es sich, wenn es von der Schule oder Universität vorgeschrieben wird. Die Dauer des Pflichtpraktikums, die durch Schule oder Studienordnung vorgegeben wird, spielt bei der Frage, ob Mindestlohn gezahlt werden muss, keine Rolle. Handelt es sich jedoch um ein freiwilliges Praktikum, das kein Bestandteil der Ausbildung ist oder von der Hochschule verlangt wird, ist die Dauer bedeutsam: Findet ein freiwilliges Praktikum länger als drei Monate statt, besteht ein Anspruch auf den Mindestlohn. Die eben genannten Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn gelten im Übrigen nicht für die von den Tarifparteien ausgehandelten Branchen-Mindestlöhne.
Wann sind Arbeitgeber verpflichtet, sich bei der Vergütung an einen Tarifvertrag zu halten?
Damit ein Tarifvertrag in einem Arbeitsverhältnis gilt, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zuallererst wenn beide Vertragsparteien tarifgebunden sind. Bei Arbeitgebern ist das der Fall, wenn sie Mitglied des Arbeitgeberverbandes sind und in den fachlichen (aufgrund der Branche) und örtlichen Anwendungsbereich eines Tarifvertrags fallen. Schließt ein Betrieb einen Tarifvertrag direkt mit einer Gewerkschaft, ist er unabhängig von einer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband tarifgebunden. Arbeitnehmer wiederum sind tarifgebunden, wenn sie Mitglieder der Gewerkschaft sind und beispielsweise als Azubis oder Festangestellte in den persönlichen Anwendungsbereich von Tarifverträgen fallen. In der Regel werden Tarifverträge aber bei allen Arbeitnehmern eines Betriebs angewendet – auch bei jenen, die nicht Gewerkschaftsmitglied sind.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer können sich darüber hinaus auf die Geltung eines bestimmten Tarifvertrags einigen (auch arbeitsvertragliche Bezugnahme genannt), wenn sie nicht schon an einen Tarifvertrag gebunden sind. Möglich ist zudem, dass im Arbeitsvertrag nur bei einzelnen Punkten wie beispielsweise der Entlohnung auf tarifvertragliche Regelungen verwiesen wird.
Tarifliche Mindestlöhne gelten laut Arbeitsrecht schließlich auch für nicht-tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer einer Branche, wenn sie vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) für allgemeinverbindlich erklärt werden (§ 5 TVG). Dabei kann es regionale Beschränkungen geben. Eine Übersicht über die Branchen-Mindestlöhne im Sinne des TVG, des AÜG und des AEntG ist auf der Internetseite des BMAS zu finden.
Was ist, wenn der Tarifvertrag eine Vergütung oberhalb des Mindestlohns vorsieht?
Fällt ein Arbeitsverhältnis in den Bereich eines Tarifvertrags, gelten die Regelungen dieses Tarifvertrags (§ 4 Absatz 1 TVG). Ist darin eine Vergütung oberhalb des gesetzlichen Mindestlohns vorgesehen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, diese höhere Entlohnung zu zahlen. Zu Lasten des Arbeitnehmers ist eine Abweichung vom Tarifvertrag nur zulässig, wenn der Tarifvertrag dies durch eine Öffnungsklausel erlaubt. Andernfalls ist eine Abweichung auch nicht mit Zustimmung des Arbeitnehmers rechtens. Bei einer rein arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag kann nachträglich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden, dass der Tarifvertrag im Ganzen oder in Bezug auf einzelne Punkte nicht mehr angewandt wird. Der Arbeitnehmer muss dem jedoch zustimmen.
Ansonsten sind nur solche Abweichungen vom Tarifvertrag wirksam, die vorteilhaft für den Arbeitnehmer sind – auch Günstigkeitsprinzip genannt. Bei einer Abweichung zwischen Tarifvertrag und einer Betriebsvereinbarung im Zusammenhang mit Arbeitsentgelten und sonstigen Arbeitsbedingungen gilt das Günstigkeitsprinzip aber wegen § 77 Absatz 3 Betriebsverfassungsgesetz nur, wenn der Tarifvertrag eine abweichende Regelung ausdrücklich erlaubt. Jedoch ist noch Grundsätzliches zu beachten: Von zwei oder mehreren Normen, die einen Sachverhalt regeln können, gilt im Arbeitsrecht immer die höherrangige Norm. Zwingend allgemeine Gesetze oder auch Rechtsverordnungen stellen höherrangiges Recht dar und gehen zum Beispiel einem Tarifvertrag vor. Bei Tarifverträgen von gleichem Rang genießt der speziellere Tarifvertrag den Vorrang vor dem allgemeineren. Bei solchen Verträgen auf gleicher Rangstufe gilt das oben genannte Günstigkeitsprinzip nicht. Der speziellere Tarifvertrag genießt demnach auch dann Vorrang, wenn er für den Arbeitnehmer ungünstiger ist. Kommen mehrere Tarifverträge zur Regelung eines Arbeitsverhältnisses infrage, ist im Zweifel die Hinzunahme eines Fachanwalts für Arbeitsrecht zu empfehlen.
Gibt es einen Mindestlohn oberhalb von den normalen 9,19 Euro?
Ein branchenweiter und von der Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft unabhängiger Anspruch auf einen Mindestlohn von mehr als 9,19 Euro kann es geben. Etwa durch einen nach § 5 TVG allgemeinverbindlichen Tarifvertrag. Oder durch einen per Rechtsverordnung des BMAS aufgrund des AEntG für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag (siehe auch weiter oben). Neben dem Mindestlohn nach dem MiLoG gibt es indirekt einen Anspruch auf eine Art gesetzlichen Mindestlohn, gegebenenfalls auch oberhalb davon. Grundlage ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu § 138 BGB, das sich mit Sittenwidrigkeit beschäftigt. Das BAG urteilte am 18.04.2012 (Aktenzeichen 5 AZR 630/10) – wie folgt entschieden: “ Der objektive Tatbestand sowohl des Lohnwuchers (§ 138 Absatz 2 BGB) als auch des wucherähnlichen Geschäfts (§ 138 Absatz 1 BGB) setzt ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Dies ist der Fall, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines im betreffenden Wirtschaftszweig üblicherweise gezahlten Tariflohns erreicht.“