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79. Vollversammlung beschließt Resolution zum Meisterbrief

Die 79. Vollversammlung der Handwerkskammer Karlsruhe hat am 18. November 2014 mit den Stimmen der 6 Delegierten Arbeitgebervertreter aus Pforzheim-Enzkreis folgende Resolution zum Meisterbrief beschlossen:

Das Handwerk mit rund einer Million Betrieben und mehr als fünf Millionen Beschäftigten ist der Kern des deutschen Mittelstandes. Der Erfolg dieses Wirtschaftsbereiches beruht auf seinem Qualifikationssystem – dem Meisterbrief als großer Befähigungsnachweis für die selbständige Ausübung eines Handwerks. In der Meistervorbereitung werden neben fachtheoretischen und fachpraktischen auch betriebswirtschaftliche und berufspädagogische Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt. Im Ergebnis sorgt der Meisterbrief für eine hohe Kompetenz, für stabile Existenzgründungen, für mehr Qualitätsarbeit und Verbraucherschutz sowie für eine anerkannt hohe Ausbildungsleistung im Handwerk.
Die Vollversammlung der Handwerkskammer Karlsruhe warnt eindringlich davor, dieses erfolgreiche System der Berufsqualifikation leichtfertig zu gefährden. Die von der Europäischen Kommission forcierte Überprüfung nationaler Berufsreglementierungen ist bereits im Ansatz in Frage zu stellen, da sie einseitig auf vermeintlich kurzfristig zu realisierende Wachstumsimpulse abzielt.

Bereits im Jahr 2004 hat eine Novellierung der deutschen Handwerksordnung (HWO) stattgefunden. In diesem Zusammenhang wurde schon damals die Reglementierung von 53 Handwerksberufen aufgehoben.

Die Folgen waren:
– Die Novellierung der Handwerksordnung 2004 hat nachweislich zu einer deutlich geringeren Ausbildungsleistung geführt. In zulassungspflichtigen Handwerken werden rund vier Mal so viele Jugendliche ausgebildet wie in zulassungsfreien Handwerken. Perspektivisch könnten somit durch weitere Liberalisierungen bis zu 70.000 Ausbildungsplätze pro Jahr verloren gehen.

– Die Zahl der Neugründungen ist zwar durch Abbau zulassungspflichtiger Berufe gestiegen, der Umsatz und die Gesamtzahl der Beschäftigten im Handwerk sind jedoch nahezu konstant geblieben. Der Gründungsboom konzentrierte sich zudem primär auf die städtischen Ballungsräume mit vielen Großbaustellen und einige wenige Gewerke (v.a. Fliesen-, Platten-, Mosaikleger, Raumausstatter, Gebäudereiniger).

– Reguläre Arbeitsverhältnisse wurden abgebaut und durch Ich-AGs, Soloselbständige und ausländische Billigarbeitskräfte verdrängt. Dies geht massiv zu Lasten der Sozialsysteme und hat weitreichende Folgen.

– Die Reglementierung von Handwerksberufen ist entgegen der Argumentation der Europäischen Kommission keine Binnenmarktschranke. Will ein europäischer Staatsbürger grenzüberschreitende Dienstleistungen in Deutschland erbringen, so muss er dies lediglich anzeigen. Im Falle einer dauerhaften Niederlassung muss nur die Gleichwertigkeit der Qualifikation bestätigt werden. Darüber hinaus gibt es vielfältige weitere Ausnahmen.

Die Notwendigkeit einer weitergehenden Deregulierung ist mehr als fraglich. Beobachtungen aus der Novelle der Handwerksordnung 2004 zeigen eindrucksvoll, dass die Auswirkungen einer Deregulierung keinesfalls im Sinne der Volkswirtschaft sind. Die verminderte Ausbildungstätigkeit und die Umwandlung von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen führen langfristig zu negativen Effekten.
Die Vollversammlung der Handwerkskammer Karlsruhe ist überzeugt, dass die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa zuvorderst über verstärkte Anstrengungen im Bildungswesen und in der Weiterqualifikation der Beschäftigten erfolgen muss. Es sind die Meisterbetriebe, die für anerkannt hohe Ausbildungsleistungen und die hohe Qualifikation im Deutschen Handwerk sorgen.
Das Handwerk im Kammerbezirk Karlsruhe appelliert an die politischen europäischen und nationalen Institutionen, die Bedeutung des Meisterbriefs im systemischen Gesamtzusammenhang mit der dualen Ausbildung und der wirtschaftlichen Stabilität der Bundesrepublik Deutschland zu betrachten.

Der Erfolg des dualen Berufsausbildungssystems, die niedrige Jugendarbeitslosigkeit, beruht auf ganz bestimmte Bedingungen – dazu gehört zwingend der Meisterbrief als Befähigungsnachweis